VideoKunstNächte 2024 / 2025

Vom 14.12.2024 bis 02.03.2025
Im Schaufenster der Kunsthalle und von außen sichtbar
Immer nächtlich ab 18 Uhr


Magdalena Frauenberg
O. T., 2024
mm-Film auf digitales Video transferiert, ohne Ton
2:58 Min.

Eric Andersen
Opus 74 Version 2 (Fluxfilm no. 19), 1966
mm-Film auf digitales Video transferiert, ohne Ton
1:24 Min.

In diesem Winter zeigt die Kunsthalle Recklinghausen zwei Arbeiten im Bewegtbild, die sich im weiteren Sinne mit der „Visual Anthropology“ und dem medialen Blick auf den Alltag beschäftigen, im engeren Sinne jedoch eine Form der Introspektion in die Künstler*innen umgebenden Objekte und deren Bräuche untersuchen.

Magdalena Frauenberg (*1996) präsentiert in ihrem knapp drei minütigem Loop einer 8mm-Filmarbeit, die auf Video übertragen wurde, in fotografisch-verkehrten Negativ-Bildern eine kostümierte Figur in Bewegung.  Anfangs erscheint sie in einer Totalen, später in Nahaufnahmen mit Tracht, die vom Kamera-Auge abgetastet wird. Ein großer Kopfschmuck mit federartigen Applikationen und langen Bändern weht im Wind. Funkelnde Elemente reflektieren das Sonnenlicht und bilden in der chromatische Negativ-Verkherung schwarze Blitze und Sterne auf dem Filmmaterial. Ungefähr zur Mitte der Arbeit erscheint erstmals eine Berglandschaft im Hintergrund, die sich in der Schlussszene klarer mit Wiesen und Gräsern hinter der Figur abzeichnet. Mit beiden Händen haltend, erscheint nun auch eine Gürtelschnalle mit Adlermotiv. Spätestens jetzt wird deutlich, dass es sich um eine Lederhosentracht handelt, mit der Frauenberg ihren Film auch beendet. Der wackelige Stil der Kameraführung und die scheinbar unmittelbaren Schnitte erinnern an eine Handkamera und zitieren im medialen Gewand die Filmaufnahmen ethnologisch-anthropologischer Dokumentarfilme, die oft von einer eurozentristischen Filmsprache geprägt sind. Doch auch Aby Warburg drängt sich als Assoziation auf, insbesondere eine Schwarz-Weiß-Fotografie, die ihn bei seiner Recherche zum Schlangenrituals der Hopi-Native Americans zeigt. Ähnlich präsent ist der Schnurrbart und ähnlich unbedarft-amüsant scheint Frauenbergs Protagonist. Und hier liegt auch der große Unterschied und der Grund, warum Frauenbergs Arbeit sowohl formal als auch inhaltlich überzeugt: Das Sujet entspringt ihrem eigenen europäisch-alpinen Umfeld, also einer Material- und Brauchtumskultur, die sie selbst lange umgab. Frauenberg filmt also nicht eine abstrakte Form von „Otherness“, sondern verschiebt durch Medium und Form etwas ihr Vertrautes in eine scheinbar visuell-anthropologische Distanz.
Interessant ist damit auch die Frage nach den Betrachtenden: Den mit alpinem Brauchtum Vertrauten bieten die kleidungsikonografischen Hinweise einen schnellen Zugang zum Sujet, anderen hingegen wohl kaum. In diesem produktiv-verwirrenden Zwischenraum tanzt also der Protagonist in einer chromatisch „verkehrten“ Welt.

Eric Andersens Film „Opus 74 Version 2 (Fluxfilm no. 19)“ von 1966 wurde auch auf 16-mm-Film gedreht und ist mit einer Länge von 1 Minute und 24 Sekunden kürzer. Zugleich stellt er mit seiner Bildlichkeit eine bemerkenswerte, mediale Überforderung dar. Erst in den letzten Sekunden rasen die Bilder durch den damaligen Projektor – heute durch das digitale Video.
Andersen scheint dem Genre Film entsprechend tatsächlich einzelne Bilder in die Vielzahl der Frames gesetzt zu haben, die pro Sekunde durch die Kamera bei der Aufnahme bzw. durch den Projektor beim Abspielen laufen. Das menschliche Auge benötigt 24 dieser Bilder pro Sekunde, damit der Eindruck eines kontinuierlich laufenden Bildes entsteht. Andersen richtet die Kamera immer wieder auf sich selbst in einem Spiegel: Wir sehen einen Protagonisten mit Kamera, der in den zwischen den vielen Bildern aufblitzt, aber auch Bücherschränke und immer wieder einen schwarzen Wecker.
Andersen filmt hier in anderer, wenngleich vergleichbarer Weise zu Frauenberg mit der 16-mm-Kamera sein direktes physisches Umfeld – das Zuhause oder das Atelier ab. Er bildet somit auch eine Form von Porträt, das, ähnlich wie bei Frauenberg, das eigene Umfeld inszeniert. Bei ihm jedoch ist dieses enger an die Alltagsobjekte um ihn gebunden, während Frauenberg die Brauchtumskultur ihres Umfelds einfängt. Aus der Fluxfilm-Anthologie stammend, ist Opus 74 Version 2 (Fluxfilm no. 19) jedoch auch ein explizit künstlerischer Versuch, die Grenzen und Möglichkeiten des Mediums auszuloten und zu reflektieren. Darin sind sich Frauenberg und Andersen wiederum ganz nah, wenngleich mehr als 60 Jahre zwischen den beiden Werken liegen.
 

Rückblick auf die vergangenen VideoKunstNächte

23.10.2023 – 31.03.2024

Ingel Vaikla
Double Exposure, 2020
HD video, sound
14:00 Min.

Wolf Vostell
Sun in your head, 1963
Originalformat: Film, schwarz weiß, mono
6:14 Min.
 

21.10.2022 – 26.03.2023

Pieter Vanderbeck
Five o’clock in the morning, 1966
16 mm Film auf digitales Video übertragen, ohne Ton
5:22 Min.

Nevin Aladağ
Rally, 2010
HD Video, Ton
6:22 Min.
 

22.10.2021 – 03.04.2022

Zum Thema „Fensterscheibe“

Florian Meisenberg  
Wembley, farewell my concubine, 2013
Ein-Kanal-Video, Sound
2:49 Min.

Anna Malagrida
El limpiador de cristales, 2010
Ein-Kanal-Video, Sound
3:26 Min.

Zum Thema „Reise“

Annika Kahrs
Sea-Pool, 2016
HD video, colour, sound
7:00 Min.

Jaan Toomik
Dancing home, 1995
Video installation, Beta SP
3:09 Min.
 
Zum Thema „Nachtsicht“

John Cavanaugh
Blink (Fluxfilm Nr. 5), 1966
16 mm Film digialisiert, stumm
2:20 Min.

Bjørn Melhus
The City, 2007
Video, Sound
11:05 Min.

Öffnungszeiten
Preise
* Schüler*innen, Auszubildende, Studierende, Gruppen ab 10 Personen, Inhaber*innen des Recklinghausen Passes bzw. ein entsprechender Ausweis anderer Gemeinden, Inhaber*innen der Ehrenamtskarte NRW bzw. der Jubiläums-Ehrenamtskarte NRW
Die Kunsthalle ist barrierefrei zugänglich.
Führungen
Die öffentlichen Führungen sind kostenfrei, es muss lediglich das Eintrittsgeld entrichtet werden.

Die Kosten für eine gebuchte Führung betragen 55,- Euro pro Gruppe (max. 20 Personen). Anmeldung unter Telefon (02361) 50 19 35.
Anschrift
Anfahrt
Die Kunsthalle liegt direkt gegenüber dem Hauptbahnhof, nahe des Busbahnhofs und ist mit allen öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar. Unter dem Busbahnhof befindet sich eine Tiefgarage.